Herman Lundborg und Deutschland

Der Arzt und Professor Herman Lundborg (1868-1943) war Gründer und Leiter des staatlichen Institutes für Rassenbiologie in Uppsala während der Jahre 1922 bis 1935. Dabei handelte es sich um das erste staatliche rassenbiologische Institut weltweit.

Um 1910 hegte man in Deutschland die Idee, eine öffentlich finanzierte, nationale Behörde mit dem Auftrag einzurichten, die Bevölkerung zu erfassen. Auch in Großbritannien und den USA betrieb man derartige Forschungen, die durch private Fonds und Mäzene finanziert wurden. Für Lundborg und seine deutschen Kollegen war es wichtig, die neue, „moderne Bevölkerungsaufbesserung“ unter naturwissenschaftlicher Leitung staatlich zu organisieren. Es ging schließlich darum, welche Teile der Bevölkerung sterilisiert werden sollten. Diese Entscheidungen sollten nicht von einzelnen Privatpersonen, weder Ärzte noch Patienten, getroffen, sondern in staatlichen Institut des jeweiligen Landes entschieden werden. Während der Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Deutschland diese Pläne zunächst verdrängte, entwickelte man in Schweden diese Ideen auch in den Kriegsjahren weiter.

Herman Lundborg besaß bereits zu Beginn der 1910er Jahre eine führende Rolle in der deutschen rassenhygienischen Bewegung. Es war ein kleiner, einflussreicher Kreis von Männern, aus denen später bekannte Rassenhygieniker des nationalsozialistischen Deutschlands stammten. Dazu gehörte Ernst Rüdin, Fritz Lenz, Eugen Fischer und Alfred Ploetz. Als Hitler 1933 die Macht übernahm, konnten sie die Ideen umsetzen, aus denen seit mehr als 20 Jahren ihre gemeinsame Vision einer „modernen Bevölkerungsaufbesserung“ – einer „biologischen Politik“ – bestanden hatte. Lundborg konnte als persönlicher Freund, als auswärtiger Experte und Professor eines staatlichen Institutes im blonden und blauäugigen Skandinavien der nationalsozialistischen Rassenpolitik Legitimität und Ansehen verleihen. Seine schwedische Rassenforschung funktionierte als Bestätigung von außen, dass das, was in den rechtsradikalen und rassistischen Zirkeln verkündet wurde, die absolute Wahrheit ist. Der Professor des staatlichen, schwedischen Institutes vermittelte die gleiche Botschaft der Rassenlehre, die Kunde von höheren und niedrigeren Rassen, von der drohenden Rassenmischung. Sie bildete das Grundfundament des heranwachsenden Nationalsozialismus und war eine Realität.